Ich bin Sternenkind-Fotografin

Diese Woche hat es in sich.

Heute ist Donnerstag, Ende November 2024. Seit Montag bekomme ich alle paar Stunden einen Alarm aufs Handy. Mein Alarmkreis erstreckt sich zwar „nur“ über Baden Württemberg und etwas darüber hinaus (Elsass, Bayern, Pfalz und Schweiz) und trotzdem werden wir so oft alarmiert. Wir: Das sind tausende von Sternenkind-Fotografen und -Fotografinnen, die in ihrer Freizeit ehrenamtlich kleine Wesen fotografieren, die es nicht lebend auf diese Erde geschafft haben.

Wer sich mit dem Thema nicht aktiv beschäftigt, könnte meinen das sind alles Einzelfälle. Tatsächlich ist die Dunkelziffer vermutlich viel höher als wir erahnen könnten. Fakt ist: Jeden Tag stirbt ein Baby irgendwo in Deutschland und wir können nichts dagegen tun.
Können wir das wirklich nicht?

Das habe ich mich vor ungefähr 6 Monaten auch gefragt.

In meinem Freundeskreis gibt es viele überglückliche Eltern.

Jedoch häuften sich in meinem Umfeld plötzlich die Fälle von Fehlgeburten, unerfülltem Kinderwunsch und Kindestod. Mich nahm das Ganze natürlich auch mit, ich sprach mit den Eltern und machte mir viele Gedanken dazu. Ich fragte mich: Was könnte ich noch tun? Außer zuhören und da sein? Gibt es da noch etwas, das ich tun könnte, um betroffenen Eltern Trost zu spenden?

Ich wurde auf eine Familien-Fotografin aufmerksam, die mit mir zusammen das Mentoring „Photopreneur“ bei Carmen und Ingo machte. Sie erzählte von ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Stiftung dein-sternenkind.eu 
Und wie das meistens so ist, denkt man erstmal: „Wow, respekt! Das könnte ich nicht!“ 
Doch als ich mich näher mit dem Thema Sternenkind-Fotograf beschäftigt hatte, fragte ich mich: Wieso eigentlich nicht? Ich habe selbst keine Kinder und deshalb vielleicht den nötigen / schützenden Abstand zu dem Thema?! Ich habe gutes Kameraequipment. Ich habe die Skills. Wieso sollte ich mich dann dort also nicht auch anmelden?

Zweifel und Ängste

Mein Hirn allerdings:
„Was ist, wenn du es doch nicht schaffst?“
„Was ist, wenn die Bilder niemandem gefallen?“
„Ich hab doch garkeine Ahnung, wie man mit trauernden Menschen umgeht!“ und „was soll ich ihnen sagen geschweige mich verhalten?“
„Wie begrüßt man sich? Wie verabschiedet man sich? Wünscht man alles Gute?! Wohl kaum…“
„Was sagen die anderen in der Organisation, wenn ich nicht so viele Einsätze fahre, wie ich zeitlich könnte?“

Ich machs

Es folgte ein ausführliches Telefonat mit Tamara (meiner bereits erwähnten Foto-Kollegin). Viele weitere Fragen und Antworten später schlief ich eine Nacht darüber um es mir durch den Kopf gehen zu lassen. Es dauerte keine zwei Tage und ich meldete mich einfach an. Die Zweifel waren zwar immer noch nicht weg, doch bevor mich meine Ängste wieder davon abgehalten hätten, habe ich mich einfach über die Website der Stiftung beworben.
Keine Woche später war ich offizielle Sternenkind-Fotografin.

Wie geht es mir damit?

Heute, einige Einsätze und Bilder später bin ich mir zu hundert Prozent sicher: Es war für mich die absolut richtige Entscheidung!
Wenn ich über Hochzeiten sage, dass die Momente an diesem Tag niemals wieder kommen werden und Know How super wichtig ist… wie wichtig ist es dann hier?!
Die ersten und letzten Bilder vom Sternenkind sind das wertvollste, das es auf der Welt zu erschaffen gibt.

Nicht selten habe ich auf der Heimfahrt vom Einsatz Schweißausbrüche und vergewissere mich mehrmals, dass ich auch wirklich die Kamera im Auto habe, die Speicherkarte noch an Ort und Stelle sitzt und ich die Bilder noch aufrufen kann. So etwas unbeschreiblich Wertvolles auf einer Speicherkarte zu transportieren beschert mir jedesmal eine Gänsehaut.

Meine anfänglichen Befürchtungen bezüglich meinem Verhalten den Eltern gegenüber haben sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Ich kann kaum in Worte fassen, was ich bisher erlebt habe. Jeder Einsatz ist anders. Doch eins bleibt überall gleich: In den schlimmsten Stunden dieser Sternen-Eltern als Fremde so viel Vertrauen zu erhalten… so viel Liebe und so viel Trauer gleichzeitig in einem Krankenhauszimmer zu spüren – dieses Gefühl ist so überwältigend. Nicht in Worte zu fassen.

So fahre ich, wenn es zeitlich und mental bei mir passt, Einsätze im Kreis Calw, Karlsruhe, Enzkreis und auch mal weiters weg. Ich fotografiere Sternenkinder manchmal alleine, mit ihren Eltern zusammen, und sogar auch mit den Großeltern und Geschwistern.

Zusammen mit tausenden anderen Fotograf/innen bei der DSK Stiftung sorge ich dafür, dass die Eltern nach dem Abschied noch bleibende Erinnerungen in den Händen halten: Das erste und das letzt Bild.

Die Organisation rund um dein-sternenkind. eu ist so großartig wie genial. Ich bin schwer beeindruckt von der positiven Community. Das Netzwerk ist durch ein Forum miteinander verbunden, in dem wir unsere Erfahrungen, Herausforderungen, Ängste und Fragen miteinander teilen können. In der gesamten Community habe ich kein einziges Mal ein böses Wort gelesen oder gehört. Es wird so respektvoll und liebenswert miteinander umgegangen und man hilft sich, wo es geht.

Ab und zu nimmt mich auch die ein oder andere Familiengeschichte mental mit. Und ich kann nach dem „Einsatz“ nicht richtig abschalten oder grüble noch viel darüber nach. Dann ist es schön, andere Menschen an seiner Seite zu wissen, die einen verstehen, zuhören und helfend an meiner Seite sind.

Seit kurzem habe ich eine Amazon-Wunschliste eingerichtet, auf der ich immer mal wieder passende kleine Geschenke speichere und mir bestelle. Diese Dinge lege ich den Sternchen-Eltern mit ins Paket. Zum Beispiel bastle ich ein kleines Armband mit dem Namen des Kindes und lege es der Sendung bei. Wenn du bis hier her gelesen hast vielleicht auch das Bedürfnis hast, irgendetwas tun zu wollen: Schreib mir eine Nachricht. Ich sende dir den Link.

Zum Schluss möchte ich mich bei dir bedanken. Danke, dass du diesen Beitrag gelesen hast. Danke, dass du dir Zeit nimmst, um dich mit diesem Thema zu beschäftigen. Danke, dass durch dich das Thema Fehlgeburt ein kleines Stückchen weniger Tabuthema wird. Danke, dass es dich gibt.

Unendlich dankbar und glücklich – deine Diana.